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Archiviert: 2022-05-31

Drei Sterne als Modell für künftige Arbeitswelt

Nach einer umfassenden Renovation ist in St. Gallen das Hotel Dom wieder geöffnet. Das Besondere: Im Hotel finden rund 55 Personen mit einer Behinderung einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz.

Hotelzimmer | © Unsplash

Hotelzimmer (Unsplash)

Seit Jahrzehnten wird das Konzept eines Dreisterne-Hotels mit Menschen mit Behinderung als Personal im Hotel Dom in St. Gallen erfolgreich umgesetzt. Mit einer Zimmerauslastung von 77% gehörte das Gästehaus Mal zu den erfolgreichsten der Stadt. Mit dem Umbau des Dachgeschosses 2019 wurden die Renovierungen des Hotels abgeschlossen, welches Anfang der 60-er Jahre als modernes Altstadthotel erstellt wurde. 

Sozialinstitution führt Hotel

Die Architektur macht das Hotel Dom zu einem besonderen Hotel, das Kunstkonzept mit einer Partnerschaft mit dem St. Galler Museum im Lagerhaus ebenso – vor allem aber, dass das Haus vom Verein förderraum geführt wird. Dabei handelt es sich um eine Sozialinstitution, die Arbeits- und Ausbildungsplätze für Menschen mit einer Lernbehinderung oder einer leichten psychischen oder körperlichen Behinderung bereit stellt.

Hotel  | © Unsplash Hotel (Unsplash)

Befriedigung und Bestätigung

Das Hotel Dom will ein Beispiel dafür sein, wie die Arbeitswelt der Zukunft aussehen könnte: «Wir sollten nicht mehr auf die Talente und das Engagement jener verzichten, die für einzelne Tätigkeiten vielleicht etwas mehr Zeit benötigen, auf etwas mehr Betreuung oder Unterstützung angewiesen sind», sagt Alma Mähr, Geschäftsführerin förderraum. Hotelleiter Stephan Peterer ergänzt: «Und sie finden das, was für uns alle im Leben wichtig ist: Sie finden berufliche Befriedigung und Bestätigung, sie erhalten von unseren Gästen positive Rückmeldungen.»   

Das agogische Konzept 

Personen, die Leistungen der IV beziehen übernehmen Verantwortung aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten, erlangen eine hohe berufliche Selbständigkeit und Kompetenz, stehen je nach ihren Vorlieben im direkten Kontakt mit den Gästen oder wirken eher im Hintergrund. Die Arbeitsplätze verteilen sich auf die Küche, den Service, die Rezeption, die Etagenreinigung und das Wasch- und Nähatelier. Angeboten werden beispielsweise Ausbildungen als Hotelfachmann oder -frau, Koch/Köchin, Kaufmann oder -frau, Restaurations-, Küchen oder Hotellerieangestellte/r.  

Begleitung durch ständige Bezugsperson

Mit jeder auszubildenden Person wird eine individuelle Lernprozessplanung erstellt. Es finden periodisch Ausbildungsgespräche statt und alle Mitarbeitende werden durch eine ständige Bezugsperson begleitet. Die Betreuungsaufgaben werden schwerpunktmässig von qualifizierten Fachkräften aus Sozialberufen und Berufsleuten mit sozialen Zusatzausbildungen übernommen. Um die Ausbildung der Mitarbeitenden kümmern sich hingegen Profis aus dem kaufmännischen Bereich sowie aus der Hotellerie und Gastronomie.

Vielfältige Ziele

Diese erweitern im Hotel ihre beruflichen, sozialen und intellektuellen Fähigkeiten durch individuelles Arbeitstraining und interne Weiterbildungsangebote, aber auch durch den Kontakt zu Kunden und Gästen sowie die Arbeit im Team. Lernende erwerben eine den anerkannten Richtlinien entsprechende Grundausbildung.

Barbara Höhn, Agogische Leiterin, koordiniert und leitet die sozialpädagogische Betreuung. Sie sagt: «Unsere Angestellten sind derart motiviert und mit Begeisterung bei der Sache, dass sie allfällige Benachteiligungen mehr als wettmachen: mit ihrer Freundlichkeit, mit ihrer echten Zuneigung gegenüber Gästen, mit ihrer professionellen Haltung.»    

Arbeiten im Restaurant | © Unsplash Restaurant (Unsplash)

Unterschiedliche Ansätze

Die methodischen Ansätze sind unterschiedlich: Mitarbeitende mit einer Lernbehinderung oder leichten geistigen Behinderungen werden zu Beginn für wiederkehrende Arbeiten eingesetzt, damit sie Routine erlangen. Bei Mitarbeitenden mit einer psychischen Behinderung erfolgt die Einarbeitung oft in einem höheren Tempo und ist umfangreicher. 

Tendenziell benötigen sie in der Alltagsarbeit mehr Abwechslung. Beinahe täglich werden die individuellen Möglichkeiten der Mitarbeitenden sondiert und beurteilt. Immer aber arbeiten sie in gemischten Gruppen, wo sich Mitarbeitende mit unterschiedlichen Behinderungen ergänzen und lernen, die Stärken anderer zu nutzen und sich gegenseitig zu unterstützen. 

Die Mitarbeitenden erhalten ausserdem Unterstützung bei der Suche nach Praktikums- und Ausbildungsplätzen. Das Hotel pflegt ein Netz mit verschiedenen Arbeits- und Kooperationspartnern aus dem offenen Arbeitsmarkt wie Alters- und Pflegeheimen, Banken, Hotels, Versicherungen oder Restaurants. 

IV-Rente als Voraussetzung

Voraussetzung für eine Stelle im Hotel ist eine IV-Rente (mindestens eine Dreiviertel-Rente) oder eine berufliche Massnahme der Invalidenversicherung. Erforderlich sind ausserdem psychische Stabilität, Dienstleistungsbereitschaft und Zuverlässigkeit – und natürlich auch die Bereitschaft zu unregelmässiger Arbeitszeit. Neben den erwähnten Möglichkeiten im Aus- und Weiterbildungsbereich beziehen die Angestellten einen Lohn im Rahmen einer geschützten Werkstatt, mit dem sie ihre IV-Rente aufbessern können.

Die Nachfrage nach offenen Stellen ist unterschiedlich, wie Barbara Höhn erläutert. Gerade im Service-Bereich oder an der Rezeption sei es auch schon schwierig gewesen, die Vakanzen zu besetzen, sagt sie. Inserate in Zeitungen schaltet das Hotel nicht, aber offene Stellen werden auf der eigenen Website ausgeschrieben. Viele Interessenten melden sich auch, nachdem sie durch Familie und Freunde oder durch Medienberichte auf die Arbeitsmöglichkeiten aufmerksam geworden sind. Ausserdem arbeitet das Hotel vor allem im Bereich der Lernenden mit den örtlichen IV-Stellen zusammen.


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