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Inkontinenz: sind Sie trocken?

Nein, bei dieser Frage ist nicht von Alkoholabhängigkeit die Rede, sondern von einem Problem mit einer weitaus grösseren Betroffenenzahl: Inkontinenz und Blasenschwäche.

Eine Holzpuppe sitzt auf einer Toilette. | © unsplash Betroffene und Fachpersonen wollen das Tabu von Inkontinenz brechen. (unsplash)

Im Volksmund ist Inkontinenz besser bekannt als «Blasenschwäche». Oft wird Inkontinenz als Seniorenproblem abgetan. Doch Studien zeigen, dass auch junge Leute und Menschen mit Behinderung, insbesondere diejenigen mit Mobilitätseinschränkungen, mit diesem Problem konfrontiert sind. Und Frauen sind im Vergleich zu Männern drei- bis viermal häufiger von Inkontinenz betroffen.

Die Zahlen von inkontinenten Menschen in der Schweiz belaufen sich auf etwa eine halbe Million, wobei die Dunkelziffer um einiges höher liegen dürfte. Kein Wunder, vielen ist das Thema so peinlich, dass sie oft erst nach mehreren Leidensjahren ärztlichen Rat aufsuchen – wenn überhaupt! Massgeblich für die starke Tabusierung des Themas ist der hohe Stellenwert der Sauberkeitserziehung in unserer Gesellschaft.

Stress- und Dranginkontinenz

Das sind die beiden am häufigsten auftretenden Formen. Bei der Stressinkontinenz (auch Belastungsinkontinenz genannt) lösen körperliche Belastungen wie das Heben eines schweren Gegenstandes, aber auch blosses Lachen oder Husten eine – zumindest teilweise – Blasenentleerung aus. Ursache ist dabei meistens ein schwach ausgeprägter Blasenschliessmuskel. Deshalb wird bei dieser Inkontinenzform ein Beckenbodentraining angestrebt, um den besagten Schliessmuskel zu stärken. Hier können Frauen jeden Alters betroffen sein, Männer jedoch fast nur nach einer operativen Prostataentfernung.

Die Drang- oder Urge-Inkontinenz dagegen beruht auf einer Überempfindlichkeit der Harnblase. Betroffene – meistens ältere Menschen – verspüren plötzlich einen übermässigen Drang und erreichen die Toilette nicht rechtzeitig. Dabei ist die Blase oft nur wenig gefüllt. Diesem Problem kann mit Blasentee, Wärme oder pflanzlicher Medizin geholfen werden. Auch ein geregelter Entleerungszeitplan kann ungewollten Urinverlust vermeiden.

Inkontinenz bei Behinderung

Daneben existieren noch andere Formen wie zum Beispiel die Reflexinkontinenz. Hier kann das Gehirn die Signale an die Blase aufgrund einer Schädigung oder Fehlbildung der Nervenbahnen nicht richtig oder gar nicht steuern. Die Folge wäre eine unbeabsichtigte aktive Entleerung. Typische Fälle sind eine Querschnittlähmung, eine Multiple Sklerose oder eine Spina bifida (offener Rücken).

Vor allem bei mobilitätseingeschränkten Menschen kann zudem eine so genannte passive Inkontinenz aufkommen. Rein körperlich gesehen haben passiv inkontinente Menschen keine Probleme damit, ihren Harn- und Stuhldrang zu spüren und zu kontrollieren. Dennoch kann es passieren, dass sie die Ausscheidung nicht mehr zurückhalten können, weil sie die Toilette aufgrund physischen Unvermögens nicht mehr rechtzeitig erreichen oder aufgrund einer geistigen Beeinträchtigung gar nicht aufsuchen. Dieser Gruppe gehören auch Pflegefälle, Demenzkranke sowie Menschen mit mehrfacher und geistiger Behinderung an.

Das Tabu brechen

Eine seltener auftretende, meistens schwerwiegendere Form ist die Stuhlinkontinenz. Beispielsweise sind querschnittgelähmte Menschen davon betroffen. Bei ihnen wird wenige Tage nach dem traumatischen Erlebnis ein Spezialtraining für Blase und Darm begonnen. So erlernen diese den selbstständigen Umgang mit ihrer Inkontinenz. Auch hier kann ein Beckenbodentraining helfen. Bei extremeren Fällen kommen beispielsweise eine regelmässige Darmspülung oder eine elektrische Stimulation des Schliessmuskels in Frage.

Aus Scham wird der Gang zum Urologen beziehungsweise zum Gynäkologen oft um Jahre hinausverzögert. Oder die Inkontinenz wird als Altersgebrechen, als Nebeneffekt eines Unfalls beziehungsweise einer Krankheit hingenommen. Nicht selten zeigt sich die Verlegenheit auch beim medizinischen Fachpersonal. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Sprechen Sie das Thema an und holen Sie bei Bedarf eine zweite Meinung ein. Nicht wenige Betroffene bereuen im Nachhinein ihren verspäteten Arztgang. Denn eine unzureichend oder gar nicht behandelte Inkontinenz kann – neben peinlichen Auftritten – weitere Komplikationen wie Entzündungen der Ausscheidungswege oder der Haut mit sich bringen.

Eine Yogamatte | © pixabay Beckentraining kann bei Inkontinenz und Blasenschwäche helfen. (pixabay)

Soziale Ausgrenzung als zusätzliches Problem der Inkontinenz

Bei einer unbehandelten Inkontinenz kann leicht die soziale Isolation hinzukommen. Schliesslich will niemand in aller Öffentlichkeit in die Hose machen. Dann lieber zuhause bleiben als so eine entwürdigende Situation riskieren, denkt manch einer. Oder «bloss keinem zu nahe kommen, der könnte meinen Urin riechen.» Eine Betroffene berichtete im Internet, sie habe bereits mehrere Jobs verloren, weil ihr Stuhlgeruch, ausgelöst durch die ständigen Winde, zu stark sei. Da half selbst fünfmaliges Duschen am Tag nicht. Eine Behinderung kann die gesellschaftliche Ausgrenzung noch weiter verstärken.

Immer mehr Anbieter von Inkontinenzhilfsmitteln werben offen zum Thema – unter anderem auch, um die Dunkelzifferbetroffenen zu erreichen. Das Thema gewinnt langsam immer mehr an öffentlicher Wahrnehmung, zudem der Bedarf an solchen Hilfsmitteln aufgrund der demographischen Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten ansteigen wird. Im Internet finden sich Anlaufstellen für Informationen oder einen Austausch zwischen Betroffenen, wie beispielsweise die Schweizerische Gesellschaft für Blasenschwäche. Alle Webseiten haben das gemeinsame Ziel, das Thema zu enttabuisieren.

Ein offener Umgang mit Inkontinenz ist gefordert

Für die Vielzahl von Inkontinenzformen gibt es eine entsprechende Vielzahl von Hilfen und Hilfsmitteln. Die grosse Palette reicht vom erwähnten Beckenbodentraining über aufsaugende Hilfen wie windelähnliche Unterlagen zu ableitenden Hilfen wie Kathetern. Auch operative Lösungen wie beispielsweise die TVT-Methode (hier wird die Blase mittels eines Bandes leicht angehoben und der Schliessmuskel dadurch gestärkt) oder der Einsatz einer so genannten Sphinkterprothese (durch einen im Körperinneren eingesetzten künstlichen Schliessmuskel kann mittels einer manuell bedienbaren Pumpe die Blase entleert werden) wurden mit Erfolg angewandt – allerdings als letztes Mittel.

Darüber sprechen hilft

Trauen Sie sich über Ihre Inkontinenz zu sprechen, denn Sie sind nicht alleine! Sich mit anderen Betroffenen auszutauschen hilft, neue Lösungen und Hilfen zu finden. Teilen Sie Fragen und Herausforderungen bei einem persönlichen Peer-Austausch oder stellen Sie Ihre Fragen anonym und kostenlos in unserer Community.

Zu den Austausch-Programmen

Langfristige Lösungen anstreben

Fachpersonen aus der Medizin und Selbsthilfeverbände raten jedoch dazu, Hilfsmittel je nach Möglichkeit primär nicht als Dauerlösung anzusehen, sondern als ergänzende, begleitende Hilfen. Ein Katheter birgt beispielsweise ein Infektionsrisiko und ein Beckenbodentraining würde bei Menschen mit Querschnittslähmung nicht immer funktionieren. Wichtiger sei es, alle Möglichkeiten zu nutzen, um langfristig die Kontinenz (zurück) zu erlangen – ob mit Training, mit medizinischen Massnahmen oder mit operativen Eingriffen. Letztendlich liegt es am jeden einen «Inko» (so nennt sich mancher Inkontinenzpatient), zusammen mit der medizinischen Fachperson seines Vertrauens herauszufinden, welche Massnahmen und welche Hilfsmittel für ihn am besten geeignet sind. 


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