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Funktionsstörungen und Erkrankungen des Darms

Immer noch ein Tabuthema: Erkrankungen im Verdauungstrakt. Weil viele Betroffene aus Scham nicht zum Arzt gehen, werden sie erst gar nicht behandelt. Dabei gibt es viele Möglichkeiten.

Ein Mann sitzt auf dem Sofa und hält sich die Hand vor das Gesicht. | © unsplash

Über Darmerkrankungen wird selten gesprochen. Dabei können sie jede:n treffen. (unsplash)

Darmfunktionsstörungen gelten als Zivilisationskrankheit und stehen oft mit bestimmten neurogen bedingten Behinderungsarten wie beispielsweise einer Querschnittlähmung, einer Spina bifida oder Multiple Sklerose in Verbindung. Dadurch, dass in der Regel die Steuerung des Darms beziehungsweise der Ausscheidungsorgane gestört ist, sind die daraus entstehenden Folgen entweder Stuhlinkontinenz oder Obstipation (Verstopfung).  Schätzungen gehen etwa von 5 Prozent der Bevölkerung aus, die von Stuhlinkontinenz betroffen sind. Dies sind ca. 350’000 Personen in der Schweiz. Dabei ist das eine eher vorsichtige Schätzung. Das liegt insbesondere daran, dass dieses Thema in unserer Gesellschaft immer noch stark tabuisiert wird (siehe dazu unser Artikel über Inkontinenz). Das Universitätsspital Zürich spricht von geschätzten 40 Milliarden Franken an Kosten, die durch die unbehandelte Inkontinenz verursacht wird. 

Gravierende Einschränkungen in allen Lebensbereichen

Ilona L. W., 51, hatte einen Arbeitsunfall, die zu einer kompletten Schädigung ihrer Wirbelsäule in der Höhe von L4/L5 sowie zu einer Steissbeinverletzung führte. Daraus resultierte unter anderem eine Darmlähmung. «Dadurch hatte ich gravierende Einschränkungen in allen Lebensbereichen», sagt die EU-Rentnerin. Sie kann keinen Beruf mehr ausüben und keinen Sport mehr treiben.   

«In der Öffentlichkeit ergeben sich oft Schwierigkeiten», so Ilona, «insbesondere für Personen, die mich nicht kennen und mit lauten, rauschenden, gluckernden Darmgeräuschen konfrontiert werden. Deshalb lasse ich mich im Privatleben lieber mit Menschen ein, die mir gut tun.» Sie selbst verwendet Hilfsmittel wie Windeln und Vorlagen. «Wichtig sind regelmässige Untersuchungen und eine besondere Achtsamkeit in der Hygiene und Körperpflege», rät Ilona.

Ansprechpartner für Hilfsmittel: Sanitätshaus

Zu den Hilfsmittelmöglichkeiten kann ein Gesundheitshaus ausführliche Beratung geben. Einer, der sich in diesem Thema auskennt, ist Dietmar Hegeholz. Der gelernte Krankenpfleger leitet den Bereich medizinische Fachberatung im Schwerpunkt Blasen- und Darmfunktionsstörungen bei Coloplast, einem Hersteller von Hilfsmitteln und medizinischen Geräten. 

«Unbehandelt stellt die Darmfunktionsstörung in allen Lebenssituationen eine starke Einschränkung dar», weiss Hegeholz. Bei Stuhlinkontinenz dominiere das Geruchsproblem und insbesondere bei Kindern das Risiko der sozialen Ausgrenzung. Bei Betroffenen, die an Verstopfung leiden, könne es dagegen vermehrt zu Harnwegsinfektionen kommen, aber auch zu starken Leistungseinschränkungen, da sich diese antriebslos fühlen oder schnell müde werden. Das ist jedoch nur ein kleiner Teil der möglichen Folgen, betont Hegeholz: «Ich könnte noch unendliche Ausprägungen aufzählen.»     

Dr. Heinz Süsstrunk, EnableMe-Fachexperte, wird dabei konkreter: «Die häufigsten Beschwerden bei Darmfunktionsstörungen sind akute/chronische Schmerzen in der Bauchgegend, übersäuerter Magen, Reflux der Magensäure in die Speiseröhre, erzwungenes Erbrechen, Übelkeit und Völlegefühl.» Süsstrunk litt selbst an Enddarmkrebs, welches mutmasslich eine Folge seines Diabetes ist. «Heute leide ich an einem Wechsel aus Verstopfung und Durchfall», erzählt Süsstrunk. Ausserdem musste sein Bein aufgrund der Nebenwirkungen der anschliessenden Chemotherapie amputiert werden, da es kaum noch durchblutet wurde.    

Vielfältige Ausprägungen von Darmfunktionsstörungen

Hegeholz hält primär eine gute Hilfsmittelversorgung zur Schaffung sozial akzeptabler Umstände für sehr wichtig, um Isolation zu vermeiden. «Ebenfalls wichtig ist eine umfassende Diagnostik und eine individuell abgestimmte Therapie. Dies ist der einzig vernünftige Weg, um Einschränkungen zu vermeiden», sagt Hegeholz. Neben Hilfsmitteln gibt es auch medizinische oder gar operative Massnahmen wie beispielsweise eine Kortisonbehandlung oder eine Stomaversorgung – einem künstlichen Darmausgang über die Bauchwand.   

Dazu sagt Hegeholz: «Ein Betroffener sieht für sich den Weg in einer Stomaanlage, der nächste lehnt dies wegen Zerstörung seines Körperbildes komplett ab. Optionen haben wir also viele, aber sie müssen individuell ausgewählt werden.» Deswegen ist – darin sind sich hier alle einig – ein möglichst offener Umgang mit diesem Thema sehr wichtig. So kann jeder Betroffene optimal beraten und behandelt werden.

Zwei Ärzte mit Skalpell und Kittel. | © unsplash Unbehandelt können Darmerkrankungen schwerwiegende Folgen haben. (unsplash)

Genauso behindernd: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Auch wenn es sich streng genommen nicht um Darmfunktionsstörungen handelt, sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) nicht minder belastend für den Betroffenen. Die zwei am meisten verbreiteten Formen sind Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Die Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung e.V. (DCCV) spricht von über 320.000 Menschen in Deutschland mit einer CED. 

Rauchen gegen die Colitis ulcerosa: stimmt nicht

Entgegen verbreitetem Denken hilft das Rauchen weder gegen Morbus Crohn noch gegen die Colitis ulcerosa. Von einer naturheilkundlichen Ärztin bekam Jürgen Becher (Arzt und Statistiker) den Tipp, auf seine Ernährung zu achten und sie eventuell umzustellen – entgegen der schulmedizinischen Ansicht, dass Diäten bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen kaum helfen. Durch einen Zufall fand er heraus, dass es an den Gluten lag, einem Eiweissgemisch in vielen Getreidearten. «Seitdem ich mich glutenfrei ernähre und keinen schwarzen Tee mehr trinke, bin ich beschwerdefrei», sagt Becher.   

Verantwortung für den eigenen Körper übernehmen

Becher weiss aber auch, dass zum Beispiel so genannte Salicylsäurepräparate bei CU-Patienten helfen können «Das wirkt bei den meisten sehr gut und dazu gibt es ja auch noch die Möglichkeit, mit Kortison behandelt zu werden», sagt Becher. Er würde aber Betroffenen lieber raten, möglichst viel Verantwortung für den eigenen Körper zu übernehmen. «Darauf achten, welche Nahrungsmittel einem gut tun und welche nicht. Und nicht ungeduldig sein, es dauert einige Wochen, bis der Körper darauf reagiert». Das Beispiel Becher zeigt: Für Darmfunktionsstörungen und -erkrankungen gibt es keine allgemeingültige Musterlösung. Was bei dem einen Betroffenen hilft, wirkt bei dem anderen nicht.  

Kann man vorbeugen?

Süsstrunk empfiehlt eine Darmspiegelung alle zwei Jahre vorzunehmen, da ab 35 Jahren das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, zunimmt. «Und gewöhnen Sie sich ein Leben mit weniger Stress an», rät Süsstrunk. «Sobald die Symptome – Darmstörungen, Gewichtsverlust, Veränderung der Hautfarbe – auftauchen, gehen Sie zum Arzt und sagen Sie es ihm. Holen Sie auch eine Zweitmeinung ein, wenn Sie nicht zufrieden sind.»   

Hegeholz bestätigt die Wichtigkeit, bei Auftreten einer Erkrankung gleich zu reagieren. Nicht selten gehen Betroffene erst zum Arzt, wenn der Leidensdruck zu gross ist – sprich: nach Jahren. «Sprechen Sie darüber!», fordert Hegeholz die Betroffenen deshalb auf. «Nutzen Sie die Angebote von EnableMe – dann ist der erste und wichtigste Schritt getan.» Betroffene können sich zum Austausch neben der bereits erwähnten DCCV e.V. auch an die ILCO, einer weltweit tätigen Selbsthilfeorganisation für Stomaträger und Menschen mit Darmkrebs wenden. 


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