Soll ich es meinem Mann sagen?

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Ich lebe seit 26 Jahren in einer Ehe mit einem Asperger. Er ist sich nicht bewusst, dass er ein Autist ist. Mir ist es erst seit ca. 4 Jahren bewusst. Vorher dachte ich, er sei einfach ein Choleriker und Narzisst.
Soll ich ihm sagen, dass er unter dem Asperger Syndrom leidet? Würde ihm das helfen? Könnte er so besser verstehen, dass dies der Grund ist, der periodisch zu Beziehungsproblemen führt? Er hat grosse innere Spannungen und demzufolge Stimmungsschwankungen, deren Ursachen er auf mich projiziert, anstatt dass er erkennen kann, dass diese in ihm stattfinden und er diese, um sie aushalten zu können, als Aggressivität gegen mich auslagert, was mich zunehmend belastet. Denn das alles äussert sich in cholerischen Anfällen und typisch narzisstischen Verhaltensweisen.
Mein Mann ist 80 Jahre alt, ich bin 70. Ist es zu spät um ihn aufzuklären?

Antworten

  • Hallo Sonnenberg,
    stammt die Diagnose von dir oder einem Facharzt?
    Gruß Hippy
  • Hallo Hippy
    Wenn die Diagnose von einem Facharzt stammen würde, hätte sich mein Mann dazu ja untersuchen lassen müssen und wüsste also Bescheid. Nein, ich habe Hilfe gesucht und mich beraten lassen, und dort wurde mir gesagt, dass die Merkmale deutlich auf ein Asperger Syndrom hinweisen. Deshalb weiss ich nun seither, wie ich das Verhalten meines Mannes einschätzen muss. Du kannst mir glauben, dass die Diagnose zutrifft, man kann das ja auch googeln und Tests machen. Alle Syptome treffen zu:
    -- Ritueller Tagesablauf und genauer Tagesplan (darauf ist er stolz)
    -- Mühe, wenn Plan gestört wird
    -- unterhält keine Freundschaften
    -- Recht haben ist ganz wichtig
    -- ADHS Syndrom
    -- innere Spannungszustände (von einem Psychologen diagnostiziert)
    -- mangelnde Empathie (das ist ihm bewusst)
    -- überdurchschnittliches Gedächtnis für geschichtliche Daten und Fakten (darauf ist er stolz)
    -- untrügliche Einschätzung von Mengen
    -- System bei allem, was er tut, und alles tut er immer gleich unter der Betonung, dass das so sein muss und nur so für ihn richtig sei.

    Diese Symptome an sich wären ja für mich unproblematisch (bis auf die Rechthaberei, die ist mühsam) und ich habe gelernt damit zu leben, weil ich jetzt ja weiss, wieso er sich so verhält. Aber diese Muster führen eben periodisch zu aggressiven Ausbrüchen wie bereits beschrieben (die er hinterher bereut). Und da meine ich, dass es uns vielleicht helfen könnte, wenn auch er weiss, worum es geht und weshalb er diese ausgeprägten Verhaltensweisen hat.
  • Hallo Sonnenberg,
    Diese Symptome, die du genannt hast, können auf ein Asperger Syndrom hinweisen, aber für eine endgültige Diagnose sollte sich dein Mann psychologisch untersuchen lassen oder mit dem behandelnden Arzt darüber reden. Ich weiß, dass man bei Asperger Syndrom unter Umständen starke Probleme haben kann, soziale Kontakte zu knüpfen, sehr verschlossen wirkt, die Gedanken und Gefühle nicht so gut vom Gesichtsausdruck 'ablesen' kann und man wird von anderen daher oft als 'seltsam' und 'unfreundlich' wahrgenommen (ich weiß das, weil ich ebenfalls das Asperger Syndrom habe). Wenn das auch auf deinen Mann zutrifft würde ich wirklich einen Test machen, wenn der nämlich tatsächlich positiv ausfällt, kann man aufgeklärt werden, was Asperger überhaupt ist, wo die Schwächen und auch die Stärken sind.
    Ich hoffe, ich konnte etwas helfen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Lilo
  • Danke Lilo
    Deine Zeilen sind sehr nett.
  • Hallo Sonnenberg,
    Also ich an deiner Stelle würde es deinem Mann sagen, weil ich weiß wie man sich fühlt wenn man weiß, dass man anders ist, aber nicht warum. Wenn man es dann weiß, fühlt man sich vielleicht erstmal komisch aber mit der Zeit söhnt man sich doch mit der Diagnose an und es tut gut, wenn man plötzlich für sein Verhalten eine Erklärung hat.
    Mit freundlichen Grüßen
    Lilo
  • Ich fürchte daß es zu einem riesen Krach kommt wenn du ihm deine Diagnose mitteilst, besser wäre ihn zum Besuch eines Facharztes zu bewegen!
    Das ist meine persönliche Meinung.
    Gruß Hippy
  • Vielen Dank liebe Hippy und liebe Lilo für Eure Antworten. Ihr habt mir sehr geholfen. Ich bin noch unentschlossen, was ich tun werde. Vielleicht ergibt sich ja irgendwann ein guter Moment. Ich vertraue einstweilen aufs Schicksal, das mich schon oft im richtigen Moment weitergebracht hat.
    Besten Gruss
    Sonnenberg

  • Lieber/liebe Lilo
    Du hast gesagt, dass Du auch das Asperger Syndrom hast.
    Wie ist das. Hat man dieses Syndrom oder den Autismus angeboren bzw. schon als Kind oder kann es sein, dass man erst im Laufe des Lebens zum Asperger wird?

    Danke für Deine Antwort.
    Besten Gruss
    Sonnenberg
  • MyHandicap User
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    Hallo Sonnenberg,
    Mit asperger Syndrom zu leben heißt für mich vor allem, dass ich Schwierigkeiten habe mich auszudrücken, mit anderen Menschen zu 'kommunizieren', d.h. ihre Absichten/ ihr Verhalten zu verstehen, meine Gedanken und Gefühle schwer rüberbringen kann und genauso die meiner Mitmenschen zu deuten. Asperger Autismus ist eben eine 'soziale' Behinderung. Ich habe schon die Erfahrung gemacht, dass ich von anderen, wegen dieser Auffälligkeiten, oft als 'komisch' und 'seltsam' und verschlossen und unfreundlich wahrgenommen werde. Außerdem kann ich oft Ironie nicht verstehen und nehme meistens alles wörtlich weshalb ich oft etwas naiv und dämlich wirke.
    Das Asperger Syndrom gilt als angeboren und nicht heilbar, es wird meistens im Kindesalter diagnostiziert, da sich die Symptome meist erst da zeigen, anders als beim Frühkindlichen Autismus, wo man die Diagnose, aufgrund der intellektuellen und sprachlichen Auffälligkeiten, schon im Kindesalter bekommt... Bei mir wurde die Diagnose allerdings erst mit 17 festgestellt.
    Mit freundlichen Grüßen
    Lilo

  • tündi
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    Hallo Sonnenberg, hallo Lilo,
    also das mit dem dämlich wirken bekommt man auch mit einer ADHS ganz gut hin!!! Und Nichtbetroffene können nicht nachvollziehen, dass man eigentlich bei guter Intelligenz ist. Beide Störungsbilder sind mehr miteinander verknüpft als man annimmt.
    Den ältesten mit Asperger Syndrom, den ich diagnostiziert habe war 55 - je älter umso schwieriger, weil man sich - auch dank des fabelhaften Gedächtnisses schon gut angepasst hat. Die Ehefrau war so erleichtert über die Diagnose, dass sie endlich wusste, warum ihr Mann - milde ausgedrückt - so seltsame Gewohnheiten hatte. Auf eine Art war es eine unglaubliche Frau.
    Sonnenberg, ich habe gerade ein Buch gelesen, vielleicht könnte Dir das helfen, vielleicht auch deinen Mann besser zu verstehen, ihn "anzustupsen"?, ebenfalls von einem Ehepaar, wo die Ehefrau dann aufgrund von auftauchenden Problemen den Verdacht schöpfte ihr Mann könne Asperger sein. Bob und Corinna Fischer: Ich liebe einen Asperger.
    Lilo, der erste Satz stimmt zwar, war aber auch ein Scherz, weil ich weiss, dass die Kommunikation bei einem Asperger Syndrom sehr schwierig sein kann. Aber es gibt auch viele Stärken.
    Alles GuteTündi
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