Befreiung von Mehrarbeit und Nachtdienst

Ich arbeite in Wechselschichten, darunter auch einige Nachtdienste im Monat. Der Dienst fängt um 19 Uhr an und endet um 7 Uhr morgens.
Angerechnet wird nur ein Arbeitstag. Die restlichen Stunden sind Bereitschaftsdienst und werden nicht vergütet, da der Arbeitgeber davon ausgeht, dass man nachts einige Stunden schlafen kann. Aufgrund des Geräuschpegels ist das nicht möglich.
Um trotz meiner 50%Schwerbehinderung noch so lange wie möglich arbeiten zu können, wollte ich aus dem Nachtdienst rauskommen. Ich habe einen Antrag auf Befreiung von Mehrarbeit gestellt.
Der Arbeitgeber hat mir daraufhin den Vorschlag gemacht, dass ich statt um 19 Uhr, erst um 23:30 Uhr zur Arbeit komme. Die verlorenen Stunden müsste ich dann an einem anderen Tag nacharbeiten. So müsste ich ca. 2 Tage im Monat zusätzlich zur Arbeit kommen.
Ist es erlaubt, auf diese Weise die Mehrarbeit auszuhebeln? Klar, ich bin dann nicht mehr 12 Stunden im Dienst. Aber wenn ich dann mehr Tage im Monat arbeiten muss, ist das doch trotzdem Mehrarbeit?

Antworten

  • Da ist dein Arbeitgeber kulant!!!!!

    Denn was ist "Mehrarbeit" im Sinne des SGB IX?
    Mehrarbeit ist die Arbeitszeit die "über" die reguläre vertragliche Arbeitszeit hinaus geht oder vom Arbeitgeber zusätzlich über die vereinbarte Arbeitszeit angeordnet wird.

    Die Arbeitszeiten werden im Arbeitsvertrag, Tarifen und in Betriebsvereinbarungen festgelegt.
    Mehrarbeit wird gesondert und zusätzlich zu den vereinbarten Arbeitszeiten angeordnet.
    Ich denke, in deinem Arbeitsvertrag sind die Arbeitszeiten geregelt, eventuell in Form auf den Verweis der geltenden Vereinbarungen (Haustarif, Betriebsvereinbarung, Tarifverträge).

    Hast du einen Arbeitsvertrag mit einer 37 Std-Woche Vereinbart + Bereitschaftsdienst, ist der Bereitschaftsdienst von 19h bis 7h morgens keine Mehrarbeit.

    Die Vergütung von Bereitschaftsdiensten wird gesondert im Arbeitsvertrag, in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen geregelt.
    Der Bereitschaftsdienst oder Notdienst wird zusätzlich zur regulären Arbeitszeit geleistet, diese sind ebenso Vertraglich geregelt.
    Arbeitsschutzrechtlich wird der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit angesehen, unabhängig von dem tatsächlichen Arbeitsaufkommen während der Dauer des Bereitschaftsdienstes.
    Die Vorschriften zu Arbeitspausen sind einzuhalten, ebenso die Höchstarbeitszeitgrenzen und Ruhezeiten von 11 Stunden zur nächsten Arbeitszeit. (In der Realität sieht das oft anders aus, das weis ich auch)

    Gruß
    rollispeedy

    PS: Eine Befreiung vom Nachtdienst kann auch über den arbeitsmedizinischen Betriebsarzt, nach vorliegen von Gesundheitsstörungen wegen Nachtarbeit, erfolgen.
  • Hallo,

    ich finde, dass dein Arbeitgeber auch sehr kulant ist. Er schlägt dir vor, dass du die Bereitschaftszeiten nicht arbeiten musst. Wenn ich das richtig verstanden habe, hättest du auch dann immer noch die Möglichkeit dich im Nachtdienst kurzzeitig auszuruhen, wenn auch Schlafen nicht möglich ist aufgrund des Lärmpegels. Du bekommt die Arbeitszeiten, die geleistet werden bezahlt und die Bereitschaftszeiten, werden dann eben in zwei zusätzliche Tage umgewandelt. Schließlich musst du ja auch wie alle anderen auf deine Soll-Arbeitszeit kommen.

    Wie wäre es, wenn du es probierst. Vielleicht klappt es ja besser als du denkst und du bist danach fitter. Dann wäre das für dich auf jeden Fall eine positive Situation. Insbesondere hilft es dir deinen Arbeitsplatz zu erhalten. Wenn Nachtdienste auch in der abgespeckten Variante nicht mehr gehen, dann musst du den Weg über den Betriebsarzt gehen und um eine Befreiung bitten. Wenn die Nachtdienste komplett wegfallen hast du aber auch die Tage, die du durch die Bereitschaftszeiten weniger hast ebenfalls nicht mehr und bist auch ca. 2 Tage mehr auf der Arbeit.

    Mehrarbeit ist es eben nicht, wie Rollispeedy dir schon ausführlich geschrieben hat.

    Jumanji
  • Hallo carpe,

    Du hast aus der Community schon einige gute Hinweise erhalten (vielen Dank dafür, Leute 😀 ).

    Für eine endgültige Klärung solltest du vor Ort mit deinem Arbeitsvertrag einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen. Nur so kannst du wirklich eine individuell für dich passende und endgültige, kompetente Auskunft erhalten.

    Gern kannst Du an dieser Stelle berichten, wie es weiter geht.
  • Vielen Dank für eure Antworten.
    Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als ein ärztliches Attest zu besorgen. Einerseits will ich natürlich keinen Unfrieden mit dem Arbeitgeber. Andererseits macht mich der Schlafentzug durch den Nachtbereitschaftsdienst und die schlaflosen Nächte wegen meiner Schmerzen in der Summe so fertig, dass es am Folgetag jeweils zu extremen Depressionen kommt.

    Insgesamt, unabhängig von der Schwerbehinderung, verstehe ich nicht, wie solche Arbeitszeiten in Deutschland zugelassen werden können. Warum setzt sich keine Gewerkschaft für diese Problematik ein?

    Bei 5 Nachtbereitschaftsdiensten im Monat (die oft auf 3 Blöcke verteilt sind), arbeitet man 20 !!!! Stunden zusätzlich und gratis im Monat.
    Aus einer 40-Stunden-Woche wird so also eine 45-Stunden-Woche (bezahlt werden aber nur 40 Stunden).

    Zudem ist man nach dem Nachtbereitschaftsdienst so müde, dass man an seinem freien Tag (an dem man erst morgens nach Hause kommt) bis mittags schläft (wenn man kann).
    Ein erholsamer freier Tag sieht anders aus.

    Der normale Arbeitnehmer hat im Schnitt 8 Tage im Monat frei. Bei uns reduziert sich das auf 5 freie Tage, wenn man die "Ausschlaftage" abzieht.

    Das hält auf Dauer keiner gesundheitlich aus.
  • Ich bin da nicht soo deiner Meinung!

    Wir in Deutschland haben eines der besten Arbeitsschutzregelungen für abhängig beschäftigte Arbeitnehmer!
    In keinen anderem Land gibt es diese Art der "Arbeitszeitregelungen" im Detail reguliert, entweder durch das Arbeitszeitgesetz oder durch weitere Bestimmungen (z.B. Berufsgenossenschaften, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen usw.) und sonstigen Bestimmungen.

    Das es in manchen Bereichen zu Unregelmäßigkeiten und der Nichteinhaltung von Regeln gibt, liegt nicht an den Gesetzgeber.
    Eher an den beteiligten Personen eines Beschäftigungsverhältnis.
    Aber abschließend kann kein Gesetzgeber in die unternehmerische Freiheit eines Unternehmens bis ins kleinste Detail Regelungen treffen.

    Für einen Arbeitsvertrag gehören immer zwei! Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Niemand wird gezwungen einen "rechtswidrigen Arbeitsvertrag" einzugehen. Jede andere Arbeitsvertragsgestaltung obliegt beiden Vertragsnehmer.

    Also, wenn du dich ungerechtfertigt behandelt fühlst, hast du in Deutschland mehrere Möglichkeiten deine persönlichen Anliegen rechtlich einzufordern.
    Verstöße gegen Arbeitszeiten - Ansprechpartner: Gewerbeaufsichtsamt, Gewerkschaften, Staatsanwaltschaft, Berusgenossenschaften, Betriebsrat
    Verstösse gegen Arbeitsverträge: Gewerkschaften, Arbeitsgericht, Betriebsrat
    Verstösse gegen gesundheitliche Auflagen an Arbeitsplätzen: Gewerbeaufsichtsamt, Gewerkschaften, Staatsanwaltschaft, Berusgenossenschaften, Betriebsrat

    Der Betriebsrat übernimmt auch eine Überwachungsfunktion zwecks Einhaltung von gesetzlichen Arbeitsplatzbestimmungen (BetrVG) in einem Betrieb.

    Ich denke, was dir eventuell als ungerecht erscheint, muss einem anderen Arbeitnehmer nicht als ungerecht erscheinen, da er durch Zulagen zum Grundlohn entschädigt wird.
    Es ist immer eine Sache der Sichtweise und der persönlichen Betroffenheit ob etwas Ungerecht ist.


    Gruß
    rollispeedy




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