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Tief in den Knochen: Die Endo-Exo-Prothese

Eine relativ neuartige, ungewöhnliche Prothesenversorgung ermöglicht oberschenkelamputierten Menschen ein besseres Handling – verbunden mit gewissen Risiken. Robert Patzker entschied sich für eine Endo-Exo-Prothese und lässt uns an seinen Erfahrungen teilhaben.

Eine tauchende Person unter Wasser fotografiert. | © pixabay

Mit der Endo-Exo-Prothese auf Tauchfühlung zu gehen, kann ganz neue Möglichkeiten aufzeigen. (pixabay)

Es gibt Prothesen, die man jederzeit abnehmen kann wie beispielsweise eine Handprothese oder ein künstliches Auge. Und es gibt Prothesen, die in den menschlichen Körper hineinoperiert und somit vollständig vom Körpergewebe umschlossen sind. Beispiele hierfür sind das künstliche Hüftgelenk oder das Cochlea-Implantat für hörbehinderte Menschen.

Es gibt noch eine dritte Gruppe, welche das Zwischenstück zwischen den beiden Prothesenarten bildet: Die Endo-Exo-Prothese. Das griechische Wort «endo» steht für innen, «exo» für aussen. Bei dieser ist ein Teil der Prothese fest in den Körper integriert, der Rest ist draussen. Diese Art von Prothese geht also wortwörtlich durch die Haut.  

Gleichzeitig innen und aussen

Was ein wenig wie aus einem gruseligen Science-Fiction-Film anmutet, ist längst fester Bestandteil von Robert Patzkers Leben. 2001 verlor der gelernte Kfz-Mechaniker durch einen Sturz «aus zwölf Metern auf die Strasse» sein linkes Bein in der Höhe der Oberschenkelmitte und erlitt eine inkomplette Querschnittlähmung sowie mehrere Knochenbrüche. Zuerst bekam er eine gewöhnliche Schaftprothesenversorgung.  

Weil Patzker durch diesen Unfall ausserdem Schmerzpatient wurde, erhält er seitdem die volle Erwerbsunfähigkeitsrente. Sechs Jahre später, 2007, traf er bei seinem Prothesenbauer auf einen Versuchspatienten mit der damals neuartigen Endo-Exo-Prothese. «Für mich war sofort klar, das ist mein Bein. Hoffentlich nehmen die mich für diese Versuchsreihe», erinnert sich Patzker an diesen Moment. Ein halbes Jahr später wurde er als Versuchsperson Nummer 23 aufgenommen.

Versorgungsprozess dauert rund zwei Monate

Bei Dr. Horst Aschoff von den Sana Kliniken Lübeck wurde Patzkers linker Oberschenkel einer so genannten Osseointegration unterzogen. Dieser Begriff wird oft in der Kieferchirurgie verwendet und bedeutet eine Integration direkt in den Knochen. Ein solcher Versorgungsprozess dauert in der Regel rund zwei Monate – von der ersten Operation bis hin zum Abschluss der Rehabilitation.

Bei der ersten Operation wird ein Loch in den Oberschenkelknochen hineingefräst und eine speziell konstruierte, etwa ein Dutzend Zentimeter lange Metallfixtur mit einer grobkörnigen Oberfläche hinein implantiert. Innerhalb der nächsten sechs Wochen wächst der Knochen fest mit der Fixtur zusammen.

Dann steht die zweite Operation an. Bei dieser wird eine Verlängerung an der Fixtur angebracht, die dann schliesslich durch die Haut geht und an der später die eigentliche Prothese befestigt werden kann. Da an dieser Stelle die Wunde aufgrund der Verlängerung nie komplett zuwächst, besteht ein Infektionsrisiko. «Es entsteht also ein offener Zugang zum Weichteilgewebe, Muskulatur und Knochen, so dass die Gefahr von Infektionen, die von der Haut übertragen werden, relativ hoch ist», sagt Dr. Insa Matthes, EnableMe-Fachexpertin.   

Offene Wunde bedeutet Infektionsrisiko

Auch bei Robert Patzker war es nicht ganz problemlos: «Der erste Eingriff war ohne Komplikationen, der zweite war leider nicht ohne Entzündung. Die Wunde musste wieder aufgeschnitten werden und innerhalb acht Wochen von innen nach aussen heilen. Der Rest verlief laut Plan», erzählt Patzker. Dennoch hat er seine Entscheidung nie bereut.  

Auf die Frage, was sich durch die Endo-Exo-Versorgung geändert habe, meint er: «Ich habe mein Bein zurück bekommen, muss man mehr sagen?» Andere Endo-Exo-Prothesenträger berichten von einer enormen Verbesserung im Gefühl für die Prothese durch den direkten Kontakt, da die Prothese mit dem Körper verbunden ist. Fahrradfahren oder segeln stellt kein Problem dar. Selbst Tauchen ist, wie im Falle von Robert Patzker, möglich.

«Ich habe mein Bein zurück bekommen»

Patzker ist begeisterter Taucher – und macht ehrenamtlich Öffentlichkeitsarbeit für den Verein zur Förderung des Behindertentauchens e.V.. Neben diesem Engagement hält der Vater dreier erwachsener Kinder seinen Körper fit und erledigt alle Reparaturen im täglichen Leben selber. «Zudem versuche ich, die Endo-Exo betroffenen Patienten näher zu bringen», sagt Patzker – indem er sich selbst als positives Beispiel zeigt. Mit seinem Arzt und einem Marketingspezialisten war er selbst bereits auf einer Promotour beim amerikanischen Militär und in deren Krankenhäusern.

Denn vor allem wegen des Hautaustritts und dem damit verbundenen Infektionsrisiko sind die Unsicherheiten bei Betroffenen noch hoch – auch wenn die Krankenkasse die Kosten übernimmt, wie auf der Webseite eines Endo-Exo-Prothesenherstellers zu lesen ist. «Die Versorgung mit der Endo-Exo-Oberschenkelprothese steht noch ganz am Anfang», bestätigt Dr. Matthes. Deshalb sei es wichtig, so Helmut Knott, ebenfalls Träger einer Endo-Exo-Prothese, dass «die tägliche Pflege penibel durchgeführt werden muss».

Mit der Endo-Exo-Prothese auf Tauchfühlung

Dr. Matthes empfiehlt interessierten Betroffenen, «mit Patienten Kontakt aufzunehmen, die bereits mit einer Endo-Exo-Prothese versorgt sind und nach deren Erfahrungen zu fragen. Denn Betroffene können meist sehr viel besser das Für und Wider einer neuen Versorgungsart vermitteln.» 

Zum Schluss zählt Robert Patzker noch die Nachteile einer gewöhnlichen Schaftprothese auf: Der Schaft drückt oder reibt am Stumpf, das Schwitzen und falls man zu- oder abnimmt, passt der Schaft nicht mehr. «Ausserdem ist der Tragekomfort sehr schlecht, sogar mit Spätfolgen für Wirbelsäule und Becken», meint Patzker.

«Mit der Endo-Exo-Prothese gehören alle diese Probleme der Vergangenheit an» sagt Patzker, montiert seine spezielle Tauchflossenprothese an und steigt ins Wasser.


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