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Autismus: die andere Wahrnehmung der Welt

Rund ein Prozent der Schweizer:innen ist von Autismus betroffen. Doch was wissen wir eigentlich über Autismus-Spektrum-Störungen (ASS), deren Ursachen und Symptome? Wir klären auf.

Eine Wand voller farbiger Post-its. | © unsplash Sinnesreize führen bei Menschen mit Autismus zu einem Chaos im Kopf. (unsplash)

«Mein ganzes Leben habe ich mich irgendwie falsch gefühlt. Und ich habe den Fehler immer nur bei mir gesucht», sagt Ladina in ihrem Erfahrungsbericht zum Thema Autismus. Genauso wie Ladina fühlen sich rund 85’000 Menschen in der Schweiz. Diese Zahl ist eine reine Schätzung, offizielle Statistiken gibt es nicht. Eine Tatsache, die das fehlende gesellschaftliche Bewusstsein bezüglich ASS versinnbildlicht. Doch von vorne.

Fehlende Filter verursachen Autismus-Symptome

Die grundlegende Ursache für ASS und deren Symptome ist die erschwerte Verarbeitung von Umweltreizen. Betroffenen fehlt die Filterfunktion für Reize. Es ist vergleichbar mit einem Regenschirm: hat er Löcher oder Risse, schützt er nicht ausreichend vor Nässe:

Grafik von zwei Personen, die mit Regenschirmen im Regen stehen. Bei derjenigen Person, die mit "Neurotypisch" beschriftet ist, funktioniert der Schirm, derjenige der Person mit "Autischtisch", weisst Risse auf, weshalb die Person nass wird. | © Stiftung MyHandicap / EnableMe Während bei einer neurotypischen Person Reize gefiltert werden, ist ein Mensch im Autismus-Spektrum diesen schutzlos ausgeliefert. (Stiftung MyHandicap / EnableMe)

Das kann anstrengend oder beängstigend sein und zu den folgenden Hauptsymptomen führen:

  • Gestörte soziale Interaktion: Unsicherheit im Umgang mit anderen Menschen, auch, weil sich Betroffene oft «nicht zugehörig» fühlen und/oder die Mimik des Gegenübers nicht lesen können. Mehr zu den sozialen Auswirkungen lesen Sie hier.
  • Beeinträchtigte Kommunikation und Sprache: Probleme damit, Gefühle und Bedürfnisse konkret zu benennen und/oder einem Gespräch in normalem Tempo zu folgen. Im Beitrag «Umgang mit Autisten» haben wir uns der Frage gewidmet, wie die Kommunikation mit Betroffenen besser gelingen kann.
  • Wiederholte, stereotype Verhaltensweisen: Auch bekannt als «Stimming» (Self-stimulating behavior), also das Bedürfnis, sich zum Beispiel durch Händeflattern, Wippen oder Zählen selbst zu beruhigen. Den meisten dürfte das nicht fremd sein, haben wir doch als Babys am Daumen gelutscht, wenn wir nicht einschlafen konnten.

ASS und Neurodiversität im Allgemeinen, haben übrigens nichts mit einer Intelligenzminderung zu tun. Im Gegenteil: viele Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung haben besondere Fähigkeiten auf bestimmten Gebieten, sogenannte «Inselbegabungen». So kann ein Mann im Autismus-Spektrum zum Beispiel kaum Augenkontakt halten, berechnet jedoch mit Leichtigkeit die Wurzel aus Eintausend im Kopf. Autist:innen mit ausserordentlichen Talenten werden «Savants» genannt und können für Unternehmen einen grossen Mehrwert bieten. Aber nicht nur sie, wie Sie im Beitrag «Arbeiten mit Autismus» erfahren können. Denn gerade, weil sie die Welt so unterschiedlich wahrnehmen, sind Menschen mit ASS besonders kreativ und ideenreich.

Behinderung? Krankheit? Oder nichts von beidem?

Im  werden Autismus-Spektrum-Störungen zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen gezählt. Noch vor wenigen Jahren wurden Autismus-Spektrum-Störungen als Krankheit oder Behinderung definiert. Mittlerweile wird häufiger von «Neurodiversität» respektive «neurodivergenten» Menschen gesprochen. Autist:innen sehen sich selbst also nicht als beeinträchtigt, sondern lediglich als anders an - und möchten auch von der Gesellschaft so wahrgenommen und behandelt werden. Autismus-Spektrum-Störungen bestehen von Geburt an, wie sie entstehen, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Lediglich, dass Vererbung eine grosse Rolle spielt, ist bestätigt. Auch biologische Abläufe während und nach der Geburt, die eine der Norm entsprechende Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen, gelten als mitverantwortlich.
 

Leben mit Autismus

Wie Menschen im Autismus-Spektrum die Welt erleben, erzählt eine Betroffene eindrücklich im Beitrag der CSS.

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Zwei Arten von Autismus

Fachpersonen unterscheiden bei der Diagnose zwischen verschiedenen Autismus-Arten: dem frühkindlichen Autismus (Kanner Syndrom) und dem Asperger-Syndrom, das sich erst nach dem dritten Lebensjahr bemerkbar macht. Da sich Schweregrad und Symptome bei allen Autist:innen unterscheiden, gelten diese Begriffe jedoch als veraltet. Mittlerweile wird deshalb vom Autismusspektrum oder eben einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) gesprochen. Dass sich ASS sehr unterschiedlich äussern kann, macht eine Diagnose schwierig und vor allem: langwierig. Das hat auch Ladina so erlebt: «Der Diagnoseprozess bestand aus vielen Fragebögen, noch mehr mündlichen Fragen, einem Elterngespräch und vor allem viel Reflexion über mich und mein bisheriges Leben.»

Autismus-Karte

Der Verein autismus deutsche schweiz (ads) und die Präventionsabteilung der Kantonspolizei Zürich haben gemeinsam mit Betroffenen eine Autismus-Karte entwickelt. Diese hilft Menschen mit Autismus, weniger Stress zu haben, wenn sie mit Kontrollbehörden wie Polizei, Feuerwehr oder Zoll in Kontakt kommen.

Foto der Autismus-Karte. | © autismus deutsche schweiz

Ist Autismus heilbar?

Die kurze Antwort: Nein. Autismus-Spektrum-Störungen begleiten Betroffene ein Leben lang. Die lange Antwort: neurodiverse Menschen müssen auch nicht geheilt werden. Dass ihr Gehirn nicht so funktioniert, wie bei anderen, bringt zwar Herausforderungen mit sich - aber eben auch Stärken. Therapeutische Ansätze gibt es aber durchaus. Diese sollen vor allem dazu beitragen, Betroffenen den Umgang mit Ihrer Diagnose zu erleichtern. Genau an diesem Punkt ist auch Ladina momentan: «Ich bin dabei zu lernen, dass ich gut und richtig bin, so wie ich bin und mich auch so verhalten darf.»


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